Mit der transkraniellen Sonographie, kurz "TCS", lässt sich in Zukunft die Parkinson-Erkrankung frühzeitig erkennen - und das lange bevor Symptome auftreten und das Gehirn spürbar geschädigt wurde. Neben den Patienten profitieren auch Wirkstoffforscher von dem neuen Verfahren.
Auf ersten Blick scheint die Idee, das Gehirn ausgerechnet mitUltraschallwellen untersuchen zu wollen, mehr als gewagt. Denn dasOrgan ist durch die Schädeldecke gegen das Eindringen vonUltraschallwellen gut geschützt. Allerdings erweist sich ein kleines"Fenster" an der Schläfe als optimale Eintrittspforte. Von hier ausdringt die so genannte Hirnparenchymsonographie (transkranielleSonographie, TCS) dann bis zur Substantia nigra vor. Der Clou: Bei mehrals 90 Prozent aller Erkrankten kommt es in der Substantia nigra zueiner verstärkten Reflektion der Ultraschallwellen. Grund für dasVorhandensein dieser hyperechogenen Zone ist der hohe Eisengehalt inder geschädigten Hirnregion. Offenbar reichert sich das Eisen imVerlauf der Erkrankung dort an - dieses Phänomen kommt der TCS zu Gute.
"Als die TCS erstmals bei Parkinson-Patienten durchgeführtwurde,erwartete niemand, etwas besonderes zu sehen", erinnert sichPrivatdozentin Daniela Berg vom Hertie-Institut für klinischeHirnforschung in Tübingen. Mittlerweile entpuppt sich das Verfahren alspotenzieller Durchbruch für die Parkinson-Diagnose.
Vorteil ist der Zeitgewinn
Denn der enorme Vorteil gegenüber anderen Untersuchungen liegt im massivenZeitgewinn für den Patienten. TCS schaltet nämlich ausgerechnet jeneTücke der Erkrankung aus, die jedem Betroffenen irgendwann zumVerhängnis wird: Lange Zeit verläuft der neuronale Verlust absolut beschwerdefrei. Wenn die ersten Symptome, etwa das typischeHändezittern, auftauchen, ist das Gehirn bereits stark geschädigt. Rundzwei Drittel der Zellen, die den für ruhige, gleichmäßige Bewegungenzuständigen Botenstoff Dopamin bilden, sind zu diesem Zeitpunktunwiderruflich zerstört. Die Dopaminproduktion in der Substantia nigraliegt in solchen Fällen bei weniger als 20 Prozent. Weil in derComputer- und Kernspintomographie die Parkinson-Erkrankung selbst imSpätstadium unsichtbar bleibt, hatten Neurologen bislang keine Chance,die Erkrankung vor dem massiven Rückgang der Dopaminproduktiondiagnostisch zu visualisieren.
Genau das könnte sich jetzt ändern. Laut Berg gibt esernstzunehmende Hinweise, dass mit der TCS sehr frühe Veränderungenerkennbar sind: "Sollte sich diese Vermutung bestätigen, wäre erstmalsein einfach anwendbares, nebenwirkungsfreies und kostengünstigesVerfahren für die Früh- und präklinische Diagnose derParkinsonerkrankung verfügbar." Diese Einschätzung teilt auch dieDeutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM). NachAngaben der DEGUM weisen die derzeit laufenden Untersuchungen daraufhin, dass TCS "erstmals eine Frühdiagnose dieser Bewegungsstörungmöglich machen".
Auf die Methode setzen mittlerweile sechs Zentren inDeutschland: die Universitätskliniken Rostock, Homburg/Saar, Tübingen,Göttingen, Dresden und Magdeburg. Die Magdeburger Forscher sehen in derTCS sogar ein Tool für die Grundlagenforschung, wenn das Verfahrengemeinsam mit der Kernspintomographie angewendet wird. Unter derzukünftigen Einbeziehung des 7-Tesla-Kernspintomographen der Uniklinikwollen die Magdeburger Forscher Parkinson in Zukunft die elementarenEntstehungsprozesse der Erkrankung ins Visier nehmen.
Neue Wege für Pharmaforscher
Neben der Grundlagen- dürfte die Wirkstoffforschung ebenfallsvom Einsatz der TCS profitieren. Denn die bisher fehlende Möglichkeit,Patienten schon im Frühstadium der Erkrankung zu erkennen, versperrteden Zugang zur Entwicklung von Wirkstoffen, die den Untergang derDopaminproduktion von Anfang an stoppen. Mit Hilfe von TCS könntenPharmaforscher auf diesem Gebiet nun endlich neue Wege beschreiten. Inklinischen Studien beispielsweise ließen sich Wirkstoffe testen, die,vor dem Auftreten der ersten Symptome verabreicht, die körpereigeneDopaminherstellung aufrecht halten würden. Für 270.000 Parkinson-Krankehierzulande eine vollkommen neue Perspektive - im Idealfall blieben siebei entsprechender Medikation ihr Leben lang beschwerdefrei.